Abbild von eigener Qualität: Die lohnende Studioausstellung „Lange zeichnet Koenig“ in der Landshuter Heiliggeistkirche

Von Roberta De Righi

(07.10.2020) Seit dem Kunstwochenende Anfang September wird in der Heiliggeistkirche in den Dunkelräumen eine ganz besondere künstlerische Auseinandersetzung von Michael Lange mit der dortigen Koenig-Ausstellung: „Kunst sehen durch Zeichnen – Lange zeichnet Koenig“ präsentiert (s. auch Bericht zu: Aktuelle Veranstaltungen der Museen der Stadt Landshut). Der Freundeskreis Stadtmuseum Landshut unterstützt mit Blick auf unser kommendes Jubiläumsjahr verschiedene Ausstellungen und Aktionen der Museen der Stadt Landshut. Wir danken der Landshuter Zeitung, die über diese Ausstellung am 07.10.2020 berichtete, dass wir diesen Beitrag von Roberta De Righi hier wiedergeben dürfen (AH, VL).

Unverkennbar eine Quadriga von Fritz Koenig, verwandelt in ein Abbild von der Hand Michael Langes (Foto: Museen der Stadt Landshut/Anette Klöpfer)

Landshuts Verhältnis zu Fritz Koenig ist für Außenstehende seltsam zu beobachten: Zwischen erstarrter Verehrung und angemessener Würdigung das richtige Maß im Umgang mit dem Erbe des großen Bildhauers zu finden, der 2017 mit 92 Jahren starb, scheint der Stadt noch schwerzufallen.

Seit 2018 ist ein Überblick über Koenigs Schaffen, sind vor allem Karyatiden und Epitaphe, in der Landshuter Heiliggeistkirche ausgestellt. Jetzt ergänzt dort eine Studioschau unter dem Motto „Kunst sehen durch Zeichnen“ dessen bronzene Bildwerke. Darin setzt sich der Landshuter Künstler Michael Lange, der bis vor zehn Jahren auch als Kunstlehrer in Seligenthal
unterrichtete, damit auseinander. „Wahrnehmung durch Zeichnung“ ist seine Methode, sich der sichtbaren Welt anzunähern – der Kunst und dem Alltäglichen. Michael Lange erinnert sich an seine erste Begegnung mit Koenigs Werk: Als der gebürtige Landshuter ein Junge war, wurde unweit der elterlichen Wohnung die Plastik „Großer steigender Reiter“ aufgestellt.
Und während die Leute in der Nachbarschaft schimpften, so sehe doch kein Ross und kein Reiter aus, war seine Mutter, selbst Pferde-Närrin, begeistert: Sie sagte, dieser Reiter zeige dem sich aufbäumenden Hengst, wer die Zügel in der Hand halte. Und angesichts einer Zeichnung von Camargue-Pferden meinte sie, man könne die Tiere geradezu riechen. Die Erkenntnis des Künstlers als junger Mann: Koenig zeigt offenbar auch etwas, das man nicht sieht. Klar ist, dass dessen Werk, jenseits des Formalen, genau deshalb auch heute noch fasziniert: Denn obgleich Koenig die Körper so stark abstrahiert beziehungsweise wie zeichensprachlich verkürzt, liegt ihnen eine unglaubliche Präzision der Haltungen und Intensität der Emotion zugrunde.

Viele Stunden verbrachte Lange in Heiliggeist; vermaß die dort ausgestellten Bronzen zeichnerisch und „erspürte“ sie atmosphärisch. „Der Tod, die Vergänglichkeit und alles Schwere spielt bei Koenig eine große Rolle“, sagt Lange. In den Epitaphen kommt diese Schwere natürlich besonders zum Ausdruck, darin werden die Figuren geradezu erdrückt von monumentalen Platten, von der Gewalt des Lebens – und des Todes.

Selbst die Tatsache, dass die Gestalt in diesen Grabdenkmalen meist paarweise auftritt, hat nichts Tröstliches: „Das Paar bei Koenig hat immer etwas Verzweifeltes“, stellt Lange fest. „Es ist wie aneinandergeschweißt, aber kommt nicht zusammen.“ Paarbeziehung als Schicksalsgemeinschaft bis in den Tod.

Umso mehr begeistert sich der Künstler für den „Epitaph für Zwei/ Treibendes Paar“: Darin schwimmen die Figuren parallel im Wasser (dargestellt als waagrechte Gitterstäbe), „doch hier ist alles erstaunlich entschwert“, findet Lange, wirke fast heiter und leicht wie bei einem sommerlichen Bad im Fluss.

Auch die Allansichtigkeit einiger Plastiken erschließt sich am besten in der unmittelbaren Anschauung, etwa beim Umschreiten des „Großen Kreuzes“. „Wie da der massive Querbalken von oben auf organische Formen drückt“, wie diese in der Torsion gequetscht werden und dabei wie „als Chiffre Teile von Gliedmaßen sichtbar zu werden scheinen, ist beeindruckend“, sagt
Lange.

Beim Blick auf Langes Zeichnungen fällt denn auch auf, dass hier das schmerzhafte In-der-Welt-Sein der Geschöpfe bei Fritz Koenig tatsächlich weniger düster wirkt. So wie in „Votiv K“: Während die Figur dort wie zwischen den Pylonen eingesperrt und daran festgezurrt wirkt, steht sie in Michael Langes Darstellung freier da. Darüber hinaus schafft er Bildfolgen, in denen er zunächst akribisch abzeichnet, um anschließend seine eigene Zeichnung erneut nachzuzeichnen. Nur Nuancen ändern sich – aber genau darauf kommt es an. Man kann also quasi wie im Daumenkino dabei zusehen, wie sich das Koenigsche Original in das Langesche Abbild verwandelt. So bietet diese Studioausstellung eine lohnende Etüde des Sehens, in der die Auseinandersetzung mit Koenigs Oeuvre lebendig ist.

■ Kunst sehen durch Zeichnen – Lange zeichnet Koenig
Heiliggeistkirche, Landshut (Di-So 10-17 Uhr),

Führungen

18. Oktober / 1. November, 15 Uhr

©Landshuter Zeitung, Autorin: Roberta De Righi
Quelle: LZ vom 07.10.2020, S. 35

Michael Lange (Foto: Claudia Hahn)